Mittwoch, 9. Dezember 2015

Michelmobil auf Tour

Vielleicht erinnert sich noch jemand - im Mai diesen Jahres hatte ich bereits vergeblich probiert, das Michelmobil in Berlin kennen zu lernen. Die Ungewissheit der Zugverbindung dank drohenden Bahnstreiks sowie Atemwegserkrankungen im Speziellen wie im Allgemeinen vereitelten meine Reise in die Hauptstadt, doch was lange währt, wird endlich gut: am Montag war Steffen, der Erfinder des Michelmobils, in Münster zu Besuch.

Michel und E-Michel

Auf Händlertour durch ganz Deutschland, gerade eben noch bei Traix zum Vorführen, kam Steffen am späten Montag Abend auf dem Parkplatz der autofreien Siedlung an. Wie praktisch, dass wir das Johanniter Gästehaus unseren Nachbarn nennen, während Steffens Bruder dort ein Zimmer zur Übernachtung organisierte, hatte ich Gelegenheit, mir die beiden Fahrräder im Gepäck mal anzuschauen.

Schon beim ersten Foto online fand ich das Michelmobil hinreißend schön. Im Profil wird das besonders deutlich - die Linienführung am Rahmen, und dann diese fast schon in Vergessenheit geratenen, dünnen Rohre. Im Alu-Zeitalter sind die Rahmen ja nur immer dicker geworden, allen voran das Urban Arrow mit seinem Ofenrohr.

© www.michelmobil.com

Dazu kommen Schutzbleche aus Holz oder Aluminium, das farblich abgestimmte Interieur und Dach, sogar eine passende Tasche kann man bekommen, um sie im mit 42 Litern üppig dimensionierten Staufach hinter der Rückenlehne unterzubringen. Amüsante Anekdote: Steffen wollte vom Rad Fotos machen, bei denen Einkäufe - Obst und Gemüse - oben aus dem Staufach herausschauen. Er hatte Mühe, das Fach mit allerlei Zeugs aufzufüllen, damit man oben überhaupt etwas von den Einkäufen sah. Es verschwand alles in den Tiefen. Daher kann das Michelmobil auch getrost auf einen Gepäckträger verzichten.

Die Kabine ähnelt im Aufbau einem klassischen Fahrradanhänger. Die Rückenlehne ist geneigt und Bank und Lehne gepolstert. Der Einstieg vorn ist tief und doch hoch genug, dass nicht gleich alles hinaus purzelt, sei es nun Teddybär oder Sandspielzeug.

© www.michelmobil.com

Der Überhang vorn ist kurz - so kurz, dass das Rad auch bei sehr einseitiger Beladung vorn eigentlich nicht ins Kippen kommt, auf dem Foto kann man das sehr schön sehen.

Aber auch insgesamt ist das Michelmobil kurz, und das ist gewollt. Auch hier darf ein Foto herhalten, um die Größe des Rades zu illustrieren. Sie sehen: Jan "Bakfietsblog" Steinberg auf einem Michelmobil in der Tiefgarage der Johanniter. Abends um halb neun muss man halt irgendwo hin, wo noch ausreichend Licht ist.

1,90m Höhe auf 1,95m Länge

Mit 1,95m ist das Michelmobil kaum länger als ein normales Fahrrad - und hat den kleinsten Wendekreis, den ich bei einer Drehschemellenkung je erlebt habe. Steffen wandte ein, man habe ihm gesagt, das Winther Kangaroo habe noch einen kleineren Wendekreis - das kann ich nicht beurteilen, und einen Zollstock hatte ich leider auch nicht dabei. Was zählt: das Michelmobil ist sehr wendig. Und lässt sich noch dazu hervorragend schieben, auch mit einer Hand - darauf wurde besonderes Augenmerk gelegt, um das Rad im Stadtverkehr auch über kürzere Strecken auf dem Bürgersteig komfortabel bewegen zu können.

Mit 39 Kilo ist das Michelmobil nicht unbedingt ein Leichtgewicht, ich finde das Gewicht allerdings bei Transporträdern auch eher zweitrangig, wir sind schließlich nicht im Rennsport. Das Rad rollt wunderbar und verfügt mit Nabenschaltung und Nabendynamo über zwei von mir sehr geschätzte Ausstattungsmerkmale.

Die normale Version hat Trommelbremsen vorn und eine Rücktrittbremse hinten. Der Nabendynamo sitzt dabei mit der Trommelbremse zusammen auf der vorderen, rechten Achse. Das wäre die Lösung für eine vernünftige Beleuchtung am Nihola - ich wusste nicht, dass es Bremse und Dynamo zusammen in einer Nabe mit einseitiger Aufhängung gibt.

Wer möchte, kann das Michelmobil auch mit Motor bekommen. Hier testet Steffen gerade den Sunstar Motor, wie ihn auch Nihola anbietet.

Der Sunstar am Michelmobil - wie füreinander gemacht

Die Besonderheit des Sunstar Mittelmotors ist, dass er anders als die Motoren von Bosch, Brose oder Shimano keinen besonderen Rahmen benötigt, sondern im Prinzip an jedem Fahrrad nachgerüstet werden kann. Dazu überträgt er seine Kraft mit einer zweiten, kleinen Kette auf ein weiteres Ritzel am Tretlager.

Bei manchem Rahmen sieht das ziemlich seltsam aus, und bisweilen bleibt wenig Bodenfreiheit, wenn der Sunstar unterm Fahrrad hängt. Die Rahmengeometrie des Michel indes scheint wie für den Sunstar gemacht - durch den Schwung nach oben fügt sich der Motor sehr gut ein.

Die Leistung eines Motors sollte man immer über lange Strecken und auch Zeiträume beurteilen. Bei meiner kurzen Rundfahrt schob das Aggregat jedoch sehr gut an. Einzig die Lautstärke ist recht hoch, allerdings bin ich abends durch ein stilles Wohnviertel gefahren - bei Tag in der Stadt sollte das nicht mehr so stark auffallen.

Das Michelmobil, ein wunderschönes, handgefertigtes Transportrad aus Berlin. Probefahrten sind schon jetzt in Berlin, Hamburg oder München möglich, vielleicht kommen schon bald Hannover, Köln und Münster dazu - ich bin sicher, Steffen freut sich über Anfragen interessierter Händler.