Dienstag, 14. Februar 2023

Leezenflow Rant

Die letzten vier Monate lag der "Leezenflow" auf meinem Arbeitsweg. Moment. Der WAS?

Ein kasten mit LED, der den Radverkehr auf der Promenade verbessern soll. Etwa 130 Meter, bevor die Promenade Die Hörsterstraße in nördlicher Richtung kreuzt, hat die Stadt Münster einen schwarzen Kasten aufgehängt.


Laut Beschreibung im Internet sei der Leezenflow ein "Grüne-Welle-Assistent", aber als ich diese Bezeichnung zuletzt auf Twitter in einem Thread übernahm, musste ich mir erklären lassen, das stimme gar nicht.

Und tatsächlich, mit einer "Grünen Welle", so wie ich sie kenne, hat das Ding auch tatsächlich nicht viel zu tun. In Gronau, wo meine Großeltern lebten, gab es eine "Grüne Welle". Dort stand ein Schild: "Grüne Welle bei 50km".

Und ähnlich könnte der Leezenflow ja auch funktionieren. Auch wenn auf der Promenade keine Höchst- oder Richtgeschwindigkeit für den Radverkehr gilt, könnten wir relativ einfach eine Durchschnittsgeschwindigkeit zugrunde legen. In Kopenhagen wird das zum Beispiel einfach gemacht, dort wird von 17 Stundenkilometern ausgegangen.

Auf dieser Grundlage könnte der Leezenflow den Radfahrenden also "grün" anzeigen, wenn sie davon ausgehen können, an der folgenden Ampel auch bei "grün" kreuzen zu können.

Aber das tut er nicht.

Stattdessen springt der Leezenflow nahezu gleichzeitig mit der korrespondierenden Ampel auf "rot" und auch wieder auf "grün". Zwar zeigt das Display einen kleiner werdenden Balken und darunter ein Fahrrad, das zum Ende hin schneller aussieht, aber wirklich ablesen, wie lange noch "grün" ist, lässt sich aus dieser Anzeige nicht.

Mehr noch, die eigentliche Ampel ist vom Leezenflow aus bereits sichtbar, ich weiß also genau so viel, wenn ich auf die Ampel schaue, wie wenn ich mir den Leezenflow ansehe.

Dazu kommt, dass die Ampel, um die es geht, eine Busvorrangsschaltung hat. Nähert sich ein Linienbus, verkürzt sich die Rotphase für den Kraftverkehr.

Fassen wir es kurz zusammen, der Leezenflow ist vollständig sinnfrei. Die Stadt hat eine Studie beauftragt, die herausgefunden haben will, dass sich die Anzahl der Radfahrenden, die ohne anzuhalten die Hörsterstraße queren konnten, um 2,5 Prozentpunkte erhöht habe. Zum einen ist das meiner Ansicht nach keine signifikante Steigerung, zum anderen stellen sich mir bei Ansicht der Studie sofort viele, viele Fragen zur Methodik.

So wollen sie zum Beispiel erkannt haben, ob Radfahrende Blickkontakt zum Leezenflow aufgenommen haben. Weder kann ich mir vorstellen, wie das zuverlässig gemessen werden sollte, noch ist es aussagekräftig: vielleicht (oder wahrscheinlich?) sahen die Radfahrenden auch nur das bunte Licht und dachten sich: "HÄ?"

Die Stadt Münster findet es aber natürlich toll, denn es ist eine Maßnahme, die augenscheinlich für den Radverkehr getroffen wird und gleichzeitig den MIV überhaupt nicht beeinträchtigt. So etwas passt hervorragend ins Konzept der Nenn-Mich-Nicht-Fahrradstadt.

Und so wurden bereits weitere Standorte auserkoren und sechsstellige Summen sollen ausgegeben werden, um weitere Leezenflows zu installieren. Gleichzeitig wird das System in weitere Städte exportiert.

Und das, obwohl der original Prototyp weiterhin ohne jegliche Funktion an der Promenade hängt. Ghyle.


Freitag, 10. Februar 2023

Das längste Bewerbungsgespräch der Welt

Ich habe es geschafft, ein ganzes Jahr lang nichts ins Bakfietsblog zu schreiben. Das ist schon hart. Dabei spielen Lastenräder nach wie vor eine große Rolle in unserem Leben, wir haben aktuell drei Stück vor der Tür stehen. Ich fahre meinen Cargo Bike Monkeys Radlader, den ich der Farbe(n) wegen "PapriCargo" getauft habe, der aber bei nächster Gelegenheit zum ObstsaLADER umfirmiert - weil die Paprikas oll geworden sind, daneben steht das orangene Bakfiets meiner Frau und in der Nische neben der Tür wartet immer noch das Bellabike darauf, ob es nochmal gefahren wird. Über 15.000 Kilometer hat es auf dem Buckel, mehr als jedes andere unserer Lastenräder, aber da die Kinder immer größer werden und wir nur noch selten alle Kinder gleichzeitig transportieren müssen, dient es im Moment hauptsächlich als Getränke-Speicher. Leergut und Getränke einfach vor dem Haus stehen lassen funktioniert in unserer Nachbarschaft nämlich nicht, die werden geklaut, aber ins Bellabike hat noch kein Dieb geschaut.

Ab sofort soll es aber reichlich Anlass geben, wieder zu bloggen, denn zusätzlich zu unseren eigenen Lastenrädern habe ich mir einen Job direkt an der Quelle besorgt: ab März bin ich bei Traix Cycles in Münster und verkaufe dir dein Lastenrad deiner Wahl!

Doch wie kam es dazu? Fangen wir vorne an.

Ich hatte einen schlecht bezahlten, aber wunderbar bequemen Job: ich gestaltete Medien in einer Agentur in Münster. 2003 hatte ich dort meine Ausbildung begonnen und war anschließend einfach dort geblieben, die meiste Zeit mit 20 Stunden. Und ich will dem Job auch auf keinen Fall Unrecht tun. Die Agentur war toll, die Kollegen waren Freunde, die Arbeit war spannend und abwechslungsreich. Gerade in den ersten Jahren war es ein wirkliches Abenteuer. Wir eroberten für unsere Kunden Neuland und hatten Spaß dabei.

Aber mit den Jahren wurde mir eines klar: ich möchte aus diesem Job irgendwann selbst gehen, bevor ich aussortiert werde. Denn natürlich kamen über die Jahre immer mal wieder neue Kolleg*innen dazu, und auffällig war, dass sie oft das Skillset, das sich bestehende Mitarbeiter über Jahre angeeignet hatten, bereits von Anfang an mitbrachten.

Und dann kam die Pandemie, und plötzlich war Planung auf lange Sicht eh nicht mehr so angesagt. Meine Liebste sagte irgendwann in den Wochen des Lockdowns: es ist, wie in Afrika. Du planst dein Leben für die nächsten Tage, nicht für die nächsten Jahre.

Und dann kam 2022 und der Krebs nahm uns die Tante. Nicht, dass wir es nicht alle schon gewusst hätten, aber die Vergänglichkeit und die begrenzte Zeit, die mensch so hat, wurde doch hart in Erinnerung gerufen. Und so saß ich an einem Vormittag plötzlich mit meinem Chef im Büro und kündigte meinen Job, in dem ich seit fast zwanzig Jahren arbeitete.

Und dann ging es ab zu - VanMoof. 

Wait, what? Warum zu VanMoof und nicht gleich ins Lastenrad-Gewerbe? Nun, trickreich. Im Jahr 2014 hatte Rainer seinen Laden Traix Cycles von Emsdetten nach Münster verlegt. Noch bevor überhaupt der erste Kunde den Laden in der damals noch Dortmunder Straße betrat, hatte ich ihm schon eine Mail geschrieben und gefragt, ob ich mir für einen Stand am Umwelthaus auf dem Viertelfest ein Nihola von ihm leihen könnte. So lernten wir uns kennen.

Denn: damals habe ich nicht nur noch regelmäßig Blogeinträge geschrieben, nein, ich habe mich sogar in meiner Freizeit auf die Straße gestellt und Lastenräder gezeigt. Voll der Aktivist war ich.

Die Idee, bei Traix Cycles zu arbeiten, stand, so weit ich mich erinnere, nicht viel später erstmalig im Raum. Aber ich hatte ja meinen Mediengestalter-Job und war nicht wirklich wechselwillig.

Aber jetzt, wo ich den Schreibtisch hingeschmissen hatte, warum dann zu VanMoof? Nun, ich hatte mir gedacht, ob es nicht besser wäre, Rainer weiterhin als Freund und nicht als Chef zu haben. Außerdem befand sich das VanMoof S3 auch irgendwie auf dem Sweet Spot genau zwischen meiner Fahrradliebe und meiner Gadgetliebe. Löschte ich nicht mittlerweile regelmäßig meine alten Tweets, könnte mensch da draußen im Netz sogar noch meinen Tweet an @VanMoof finden, in dem ich sie auffordere, einen Brand Store in Münster zu eröffnen. (Fun Fact: der Antwort-Tweet ist noch da)

Und dann ging es los. Ich hatte mir natürlich meine Gedanken gemacht, aus dem Home Office kompatiblen Schreibtisch-Job - in Zeiten der Lockdowns und Isolation hatte ich sogar aus dem Wohnwagen an der Ostsee gearbeitet - nun in eine Woche mit vollen Arbeits- und sogar Samstagen? Aber mein Jüngster kommt im Sommer in die Schule, wann, wenn nicht jetzt, das würde schon passen.

Es passte noch nicht. Und, wenn ich Kritik üben muss: bezüglich der Ausgestaltung der Stellen war oder ist VanMoof dann doch sehr unflexibel. Sich mal einen Samstag freizuschaufeln, wenn es wirklich nicht ging, war müßig, das Team auch nicht groß genug, als dass sich automatisch jemand zum Einspringen fände. Der Wunsch, eine studentische Hilfskraft nur für Samstage einzustellen, stand im Raum, aber so eine Stelle genehmigt das HQ halt nicht. Diese Form von unflexibel. Als ich dann erleben musste, wie Arbeitszeiten völlig selbstverständlich um die Uni-Zeiten unseres Werksstudenten herumgelegt wurden, während ich gleichzeitig meine liebe Mühe hatte, meine Stunden familienfreundlich zu verteilen, wuchs der Zweifel in mir.

Und da ist es dann doch von Vorteil, wenn der Chef ein Freund ist. Und dass bei Traix die Samstage generell nur bis 13:00 Uhr dauern...

Und so fange ich nun, endlich, zum ersten März bei Traix Cycles im Verkauf an. Kommt vorbei und kauft euch ein Lastenrad bei mir. Wir haben tolle Räder da!