Dienstag, 11. August 2020

Kleine Runde mit dem Carqon

Auf der Eurobike 2016 stand ein Prototyp herum. Es war ein Dreirad, und komplett fahruntüchtig. Dazu stand es lieblos irgendwo im Außenbereich. Und dennoch: es zeigte interessante Design-Ansätze und nannte sich "Carqon". Vier Jahre später ist daraus ein Zweirad geworden, dass auf das Premium Segment zielt, und der erste Eindruck ist verdammt gut.

Das Carqon bei mir Zuhause
Auf den Social Media Kanälen hatte sich die Marke recht vollmundig präsentiert, Formulierungen wie "der neue Standard" verwendet. Sowas gefällt mir ja überhaupt nicht. Ich sage mal so: ich hatte die erste und zweite Generation des Urban Arrow Family, die beide schon wirklich gut waren, aber UA ist jetzt bei Rahmengeneration fünf, und einen "neuen Standard" setzt man definitiv nicht mal eben mit Version 1.0 eines Fahrrades auf die Straße, insbesondere dann nicht, wenn es das allererste Modell der Marke ist.

Also folgte ein leicht sarkastischer Austausch auf Instagram über das Selbstbild der Marke, der in diesem Video meinerseits gipfelte, als sich der deutsche Hersteller Kargon plötzlich in "Cargo Factory" umbenannte, weil man bei Carqon der Meinung ist, dass sich der eigene Markenname "Car gone" ausspricht, und man in Sachen Markenrecht offenbar einen Schritt schneller war als die Darmstädter.

Carqon nahm es mit Humor, was sie mir direkt deutlich sympathischer machte. Und als man mir anbot, auf dem Weg zur Bike Blöd einen Zwischenstopp in Münster einzulegen, sagte ich sofort "ja" - obwohl ich eigentlich noch ein paar Tage nicht Fahrrad fahren sollte, nach meiner kleinen OP (Twitter-Leser wissen mehr).

Und so stand eines Mittags Maarten in meiner Straße und wir unternahmen eine kleine Sight Seeing Tour durch Münster mit einem Stopp beim "besten Lastenrad-Geschäft der Welt"* Traix Cycles.

Carqon mit Tür
Auf dem Prinzipalmarkt machten wir halt für ein paar Fotos, und es dauerte keine zwei Minuten, da war das Carqon der Blickfang. Aufschlussreich für mich: die Tür, die für Carqon ein USP (iiiih, Marketingsprech) ist, hatte ich nie für wichtig befunden, vom geneigten, westfälischen Publikum bekam sie aber direkt Zuspruch.

Natürlich reicht eine fünf Kilometer lange Rundfahrt nicht, um das Rad auf Herz und Nieren zu testen, aber was mir direkt auffiel, dass an dem Rad selbst auf Kopfsteinpflaster einfach überhaupt nichts rappelte und klapperte. Das spricht für die Verarbeitung, aber auch für die Federgabel und die Bereifung. Das Fahrgefühl war wirklich hervorragend, sehr bequem.

Links der Prototyp auf der Eurobike 2016
Vom Prototyp, den es damals auf der Eurobike zu sehen gab, hat das heutige Rad Design-Anleihen im Ausfallende behalten. Ansonsten ist es natürlich ein deutlich anderes Rad. Die Seitenwände der Box sind außergewöhnlich hoch gezogen, um die Fahrgäste zu schützen, da ist die Tür dann natürlich doch praktisch, dann muss man die Kinder (oder Haustiere, mich überrascht immer wieder, wie viele Menschen sich für ihre Hunde nach Lastenrädern erkundigen) nicht über die hohe Seitenwand heben.

Das übliche Zubehör wie Regendach, Abdeckung oder Adapter für die Babyschale soll es geben, war aber jetzt noch nicht mit dabei.

Die Tür fällt beim Vorserienrad noch durch ihre sehr großen Spaltmaße auf, Maarten versprach aber, dass der Produktionsprozess für die Box angepasst werde. Für die Serie kämen dann Tür und Box aus der gleichen Form, was dieses Problem beheben solle. Die Tür ist nur von Außen zu öffnen und der Griff liegt so weit unten, dass die Kinder ihn aus der Box heraus nicht ohne weiteres erreichen. Zudem kann innen ein kleiner Riegel vorgeschoben werden. Bei der Fahrt rausspringen sollte also kein Thema sein.

Die Tür
Als Motor kommt der Bosch Cargo Line Mittelmotor zum Einsatz, der Rahmen ist für eine zweite Batterie vorbereitet. Gelenkt wird über eine Seilzuglenkung, die durch die Box fast komplett verschalt und nicht zu sehen ist.

Wie bereits gesagt: das Rad fährt sich ausgesprochen weich und bequem. Tilman von der Radelbande durfte sich das Rad einen Tag später in Hamburg ansehen - hier findet ihr das Video zu seinem ersten Eindruck - und schrieb mir später, wenn er die Wahl zwischen Carqon und Urban Arrow gehabt hätte, wäre seine Wahl wohl auf das Carqon gefallen. Das ist durchaus eine Ansage an den "Platzhirsch" Urban Arrow, der seine Prognose für 2020 immerhin mit 15.000 Rädern (!) angegeben hat.

In Holland steht das Rad diesen Sommer bereits bei einigen Händlern, in Deutschland soll es auch bald verfügbar sein. Wer im bequemen Family Segment sucht, sollte sich das Rad definitiv mal ansehen.

Ich danke Maarten für den Besuch in Münster! Hat viel Spaß gemacht!

*) Der Urheber dieser Aussage ist dem Autor bekannt und trägt den gleichen Vor- und Nachnamen wie der Autor. Er wurde für diese Aussage eventuell in Bier bezahlt.